Angeguckt, Film & TV
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Coherence – ein kluger und packender Science-Fiction-Thriller

Nichts ist so, wie es scheint. Plötzlich steht vieles in Frage, selbst die eigene Identität. (Foto: Bildstörung)

„Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält.“ Schon Goethes Faust musste erkennen, dass sein Wissen nicht genügt, um die Geheimnisse der Natur zu ergründen. Diese Erfahrung müssen auch vier Paare machen, die sich in Los Angeles zu einer Dinner-Party verabredet haben. Schnell drehen sich die Gespräche um einen Kometen, der während der Party über die Vereinigten Staaten hinweg zieht. Vielmehr sollte von der Geschichte eigentlich nicht verraten werden, um den besonderen Reiz, der von diesem Film ausgeht, nicht zu zerstören.

Coherence, zu deutsch Kohärenz, erweist sich als treffender Titel, der ein gewisses Maß an Ironie nur schwer verbergen kann. Kohärenz, der Zusammenhang von etwas, ist nämlich genau das, was die Protagonisten im Film und ebenso der Zuschauer zu ergründen versuchen. Dabei ist die erste Viertelstunde eher ereignisarm, fast langweilig, wenn wir die vier Paare bei ihren Vorbereitungen für die Party oder ihrer Anreise zu dieser begleiten. Belanglos erscheinen die Gespräche, die vor allem von beruflichen und zwischenmenschlichen Problemen handeln. Aber unter anderem das ohne ersichtlichen Grund gesprungene Display eines Smartphones lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kometen und damit verbundene Gerüchte von übernatürlichen Ereignissen, die frühere Kometen ausgelöst haben sollen. Selbst die Realisten unter den Partygästen beginnen im Laufe der Gespräche an ihren bisherigen Vorstellungen von der Wirklichkeit zu zweifeln, plötzlich steht vieles in Frage, selbst die eigene Identität.

Es ist beeindruckend wie Regisseur und Drehbuchautor James Ward Byrkit es in seinem Regiedebüt mit wenigen finanziellen Mitteln schafft, den Zuschauer zu locken und in den Bann seiner Geschichte zu ziehen. Wo keine Mittel wie bei einem Blockbuster für optisches Brimborium zur Verfügung stehen, muss die Geschichte ungleich präziser sein. Eine Geschichte, die sehr lange sehr rätselhaft bleibt, für so manchen Zuschauer vermutlich auch noch nach dem Filmende, aber diesen dennoch nicht frustriert zurücklässt. Vielmehr lädt das kluge Drehbuch dazu ein, sich den Film ein weiteres Mal anzuschauen oder nach dem Filmende noch stundenlang darüber zu diskutieren.


Getragen wird die Geschichte von einem tollen Schauspielerensemble, das ohne Proben in den Film quasi hineingeworfen wurde. In nur fünf Nächten wurde der Film abgedreht. Mit einem Filmteam, das lediglich aus Regisseur James Ward Byrkit an Kamera A, Nic Sadler an Kamera B und zwei Tonmeistern für die Tonaufnahmen vor Ort bestand. Möglichst unbefangen sollten die Schauspieler auf diese Weise den Dreh erleben, so wenig wie möglich sollte sie vor Ort ablenken. Unbefangen sollten sie auch in Bezug auf die Geschichte sein, so dass ihnen bestimmte Handlungen und Wendungen vorenthalten oder nur skizziert wurden.

Trotz der überzeugenden schauspielerischen Leistung, die auf diese Weise erzeugt wurde: Der eigentliche Star des Films ist das Drehbuch, das zeigt, dass das Genre Sience-Fiction nicht so ausgelutscht ist, wie manche überfrachteten Blockbuster der vergangenen Jahre befürchten ließen. Vielleicht sollten in Hollywood mal ordentlich die Budgets runter gefahren werden, damit wieder mehr Hirnschmalz in Drehbücher investiert wird, werden muss. Dann gelingen wieder Drehbücher wie Coherence, die ihre Geschichte ernst nehmen und stringent entwickeln.

Wer auf effektgeladene Blockbuster steht, sollte sich vom Low-Budget-Charme, den Coherence verströmt, nicht abschrecken lassen, sondern trotz Fernsehfilmoptik dem Film eine Chance geben. Es lohnt sich, das Popcorn und die Nachos vorm Kinosaal zu lassen, da das Knirschen und Knistern den ein oder anderen Dialog übertönen könnte. Dabei kann jeder Satz, jedes Wort wichtig sein, um der Auflösung am Ende möglichst nahe zu kommen. Vielleicht bleibt die Handlung trotz dieses Verzichts nach 90 Minuten weiterhin ein Rätsel. Doch wie heißt es so schön: Oftmals ist der Weg das Ziel. In diesem Fall, einen der besten Filme dieses zu Ende gehenden Kinojahres gesehen zu haben.

Bewertung 4,5 von 5 Punkten

Coherence
(Coherence)

USA 2013

FSK ab 16 Jahren

Laufzeit ca. 89 Minuten

Kinostart 25. Dezember 2014

Kategorie: Angeguckt, Film & TV

von

In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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