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Das wird man doch (dem Führer) noch sagen dürfen – Bitterböse Verfilmung des Bestsellers „Er ist wieder da“

Da staunt der Führer. Das Internet ist ein hervorragendes Propagandamittel. (Foto: Constantin Film)

Berlin, Ende Oktober 2014. „Die Trümmer sind verschwunden, aber die Menschen scheinen gänzlich verrückt geworden zu sein.“ Erst wenige Minuten ist Adolf Hitler wieder da, aber die genügen ihm, um ein vernichtendes Urteil über den Zustand des deutschen Volkes zu fällen. Und je mehr aktuelle Informationen er sich beschafft, umso mehr verfestigt sich dieses Urteil. Geführt wird dieses Volk von einer „klobigen Frau mit der Ausstrahlung einer Trauerweide“ (Angela Merkel) und die SPD befindet sich dank eines „penetranten Wackelpuddings“ (Sigmar Gabriel) und einer „biederen Masthenne“ (Andrea Nahles) in einem erbärmlichen Zustand.

Er weiß zwar nicht wieso, aber er ist wieder da und er versteht sehr schnell wie er diese, seine zweite Chance nutzen wird. Er wird seinen Kampf fortführen. Das Schicksal hat es schließlich so gewollt. Und überhaupt: „Wen sonst hätte die Vorsehung zurückholen sollen?“ Ebenso wie der gleichnamige Roman von Timur Vermes kann der Film nur funktionieren, wenn man sich auf diese abstruse Grundidee einlässt, dass Adolf Hitler plötzlich wieder da ist. Um uns diese Grundidee so schmackhaft wie möglich zu machen, wendet Regisseur David Wnendt, der zusammen mit Mizzi Meyer auch das Drehbuch schrieb, einen genialen Trick an. Er verlässt die konstruierte Ebene des Spielfilms, um seinen Adolf Hitler in dokumentarischen Szenen aufs „verrückt gewordene Volk“ loszulassen. Zum einen schafft er es so, sich vom Korsett der Gedankenwelt Hitlers (der Roman ist aus der Sicht Adolf Hitlers geschrieben) zu lösen, zum anderen unterstützt es die Satire und lässt diese teilweise so bitterböse werden, dass einem das Lachen vergeht.

Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen

Stattdessen steht plötzlich die Frage im Raum: Das können die Menschen doch nicht so gesagt haben? Doch, haben sie, sie haben der Produktion sogar ihr Einverständnis zur Ausstrahlung gegeben. So sehr sind sie von dem, was sie vor der Kamera sagen, überzeugt. Es scheint unerklärlich, warum sich Menschen jemanden öffnen, der ihnen in der Rolle als Adolf Hitler begegnet. Man hüte sich dennoch vor vorschnellen Schwarz-weiß-Urteilen, indem man die Menschen unter anderem als dumm bezeichnet, die sich dort vor der Kamera unverblümt öffnen. Das sind sie gewiss nicht, vielmehr sind sie Teil eines, teils erschreckenden, Gemütszustands dieser Republik. Die vielfach in jüngster Vergangenheit gestellte Frage nach dem was Satire darf, kann angesichts von „Er ist wieder da“ nur mit Kurt Tucholskys legendärem Satz „Was darf die Satire? Alles.“ beantwortet werden. Das nicht alles Satire ist, was in dessen Gewand daherkommt, ist wieder ein gänzlich anderes Thema.

Ein Führer orientiert sich nicht an Papptafeln

Denn dieser Film ist Satire – und was für eine. Kein heikles Thema wird ausgespart, was angesichts einer Figur wie Adolf Hitler alles andere als selbstverständlich ist. „Selbst Polen existiert noch und das auf deutschem Gebiet“, muss Hitler feststellen, „hätte ich mir ja den ganzen Krieg schenken können.“ Sein erneuter Aufstieg fußt auf der Gier nach Macht und Anerkennung der Mitarbeiter eines privaten TV-Senders. Da werden gerne die Bedenken der Gag-Schreiber einer Comedy-Sendung, in der Hitler auftreten soll, beiseite gewischt. Dass rassistische Witze immer rassistisch sind, wird bewusst in Kauf genommen. Asylanten, Zigeuner, Juden, Ausländer, Homosexuelle – alles super. Der Führer orientiert sich aber nicht an Papptafeln mit rassistischen Witzen, sondern zieht seine eigene Sache konsequent durch, die dem Sender bald traumhafte Einschaltquoten beschert.

Das wird man doch (dem Führer) noch sagen dürfen

Fernsehen im Film ist von der Darstellung immer schwierig, da die Fernsehwelt zumeist künstlich und unglaubwürdig wirkt. Hier bettet sie sich wunderbar in diesen Mix aus dokumentarischem und fiktionalem Geschehen ein, vielmehr unterstützt sie das dokumentarische noch und spannt im zweiten Teil des Films den Satirebogen immer heftiger. Während man anfangs noch über parodistische Elemente herzhaft lacht, weicht dieses Lachen immer mehr einem staunenden Kopfschütteln. „Es war ja nicht so, dass alles schlecht war.“ Als wenn sie diesen Satz von Adolf Hitler gehört hätten, plaudern die Menschen ganz offen mit ihm – frei nach dem in sozialen Netzwerken grassierenden Tenor: Das wird man doch (dem Führer) noch sagen dürfen. Doch diesem gefällt nicht alles, was er auf seiner Tour durch die Republik zu sehen bekommt. Patrick und Dennis, die eine vegane(!) Neonazi-Kochshow im Internet haben, staucht er zusammen, weil die das perfekte Propagandamittel Internet ad absurdum führen: „Sie nutzen es mit der Herstellung eines lächerlichen Eintopfes. Das ist doch vollkommener Schwachsinn!“

Eine Satire, die uns den Spiegel vorhält

Von Schwachsinn ist dieser Film weit entfernt. Vielmehr ist den Machern eine nahezu perfekte Satire gelungen, die uns Zuschauern den Spiegel vorhält und fast zwangsläufig zur politischen Diskussion einlädt. Was auch daran liegt, dass die Besetzung bis in die Nebenrollen stimmig ist. Oliver Masucci stellt seinen Adolf Hitler dermaßen glaubwürdig dar, dass die eingangs erwähnte abstruse Grundidee, völlig bedeutungslos wird. Er ist wieder da. Gut, dass er wieder da ist. Da muss erst der Führer wieder auferstehen, um uns den Spiegel vorzuhalten.

er_wieder_da_3d_xp_dvdBewertung 4 von 5 Punkte

Er ist wieder da
Deutschland 2015

Dt. Heimkinostart 7. April 2016
Länge 110 Minuten (DVD), 115 Minuten (Blu-ray)
Regie David Wnendt
Darsteller Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Michael Kessler
Sprache Deutsch (Dolby Digital 5.1, Hörfilmfassung Stereo) – DVD
Deutsch (DTS-HD High Resolution 5.1 und Stereo, Hörfilmfassung Stereo) – Blu-ray

Kategorie: Angeguckt, Film & TV

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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