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„Freunde fürs Leben“ – Seichtes Wasser im Pool der Tragikomödien

Tomás (Javier Cámara) und Julián (Ricardo Darín) sind Freunde fürs Leben. (Foto: Ascot Elite)

„Das einzige was im Leben zählt, sind Beziehungen, die Liebe, die Familie, wir beide, Truman und ich.“ Mit dieser Aussage bringt Protagonist Julián die Intention und Handlung von „Freunde fürs Leben“ auf den Punkt. Regisseur Cesc Gay wählt für seine Tragikomödie den Handlungsmantel einer tödlichen Erkrankung, um an diesem altbewährten Plot die kleinen und großen Verfehlungen von zwischenmenschlichen Beziehungen und Lebensentwürfen zu entwickeln. Eine Story, welche prädestiniert für Melancholie, Schwermut und Trübsinn ist – trotzdem wirbt der Filmeinband mit Zitaten wie „Gute-Laune-Kino mit Substanz“ und nennt das Stück „eine berührende Hymne auf das Leben und die Freundschaft“. Kann Cesc Gay halten, was Pressestimmen und Verlag versprechen?

Tomás (Javier Cámara) macht sich auf Drängen seiner Frau auf die Reise vom tief verschneiten Kanada ins entfernte Madrid, um seinen todkranken Jugendfreund Julián (Ricardo Darín) zu besuchen. Für Tomás eine emotionale Reise in die Vergangenheit, für Julián eine dringend erforderliche Unterstützung, um sich mit dem Zustand seines scheidenden Lebens zu arrangieren. Vier Tage verbringen die beiden Freunde gemeinsam in Madrid. Vier Tage, um elementare Dinge vor Juliáns Tod zu organisieren. Vier Tage, um ein neues Zuhause für seinen geliebten Hund Truman zu finden. Vier Tage, um tiefe Freundschaften wieder aufleben zu lassen. Vier Tage, um mit sich ins Reine zu kommen oder Verfehlungen aus alten Tagen aufzuholen.

Dialog als Handlungsträger

Cesc Gay bettet diese Geschehnisse größtenteils in Dialoge, welche sich mit Juliáns nahendem Tod auseinandersetzen. Diese Form der Handlungsführung untermalt das ernsthafte Thema und die verschmitzt-melancholische Grundstimmung des Films, führt allerdings immer wieder zu Längen für den Zuschauer. Den Gesprächen, welche entweder zwischen den beiden Protagonisten oder den Protagonisten in Kombination mit einer Nebenfigur stattfinden, fehlt es nicht an Sarkasmus und einer guten Portion schwarzen Humor. Bei einem Besuch im Bestattungsunternehmen zum Beispiel machen sich Julián, Tomás und der Bestattungsunternehmer Gedanken über eine passende Beisetzung. Nachdem die Kostenfrage behandelt wurden, erkundigt sich Julián über die Urnenbeisetzung: „Sind die nicht etwas klein? Passt da wirklich die ganze Asche rein?“ – „Ja natürlich… Anschließend nachdem… ähm… bleibt nicht viel übrig,“ gibt sich der Bestattungsprofi unprofessionell und sichtlich unangenehm berührt. „Freunde fürs Leben“ reiht Unterhaltungen dieser Art aneinander – mal ganz unterhaltsam und süffisant, mal klischeehaft und oberflächlich. Für einen Film, der von Dialogen lebt, überzeugen diese leider unterm Strich nicht.

Nebenrollen machen neugierig

Neben dem Ringen der Betroffenen um einen angemessenen Umgang mit dem Todkranken, dem zwischenzeitlichen Hadern bis hin zur Versöhnung mit diesem Schicksalsschlag eröffnet Regisseur Gay Einblicke in die Gesinnung der Nebenakteure. Diese subtil eingeflochtenen und ironisch-unterhaltsamen Handlungsausbrüche machen wesentlich neugieriger als die Haupthandlung. Da wäre das lesbische Paar, welches sich Hund Truman als Therapiehund für ihren Adoptivsohn vorstellt, ein Sinnbild für gleichgeschlechtliche Vorzeige-Helikopter-Eltern. Oder Juliáns Sohn – ein Student, dem es auf seinem Hausboot in Amsterdam zu langweilig wird, so dass er nach Buenos Aires auswandern möchte – Musterbeispiel für die Generation Y. Aber auch Hauptfigur Tomás verdient mehr Aufmerksamkeit als sein sterbenskranker Freund: Die Reise nach Madrid scheint für ihn wie ein Ausbruch aus seinem Leben zu sein, kann er sich hier zurückversetzt in seine Jugend fühlen, trifft er dort seine verflossene Liebe Paula (Dolores Fonzi), mit der es kurzerhand eine Liebesnacht verbringt.

Belanglos trotz charmantem Rahmen

Javier Cámara als Tomás und Ricardo Darín als Julián spielen ihre Rollen mit Charme und Authentizität, lassen ihre Figuren mit ihren kleineren und größeren Verfehlungen sympathisch erscheinen. Madrid und Amsterdam als Drehorte bieten mit ihrem Flair malerische Szenen, welche Schnitte und Filmmusik passend unterstreichen, so dass bildlich ein stimmiger Film entsteht. Dennoch überraschen weder die Story noch die Umsetzung im Gesamten. „Freunde fürs Leben“ rutscht zwischen altbewährten Mustern aus „Ziemlich beste Freunde“ und „Das Beste kommt zum Schluss“ im Pool der Tragikomödien ins Belanglose ab.

594352Bewertung 2,5 von 5 Sternen

Freunde fürs Leben
Truman Spanien/Argentinien 2015

Dt. Heimkinostart 4. Juli 2016

FSK ab 0 Jahre

Darsteller Ricardo Darín, Javier Cámara, Dolores Fonzi
Regie Cesc Gay

Bildformat 1.85:1 in 16:9
Tonformat
DVD Deutsch, Dolby Digital 5.1, Spanisch, Dolby Digital 5.1
Blu-ray Deutsch, DTS-HD Master Audio 5.1, Spanisch, DTS-HD Master Audio 5.1

Länge ca. 104 Min. (DVD), ca. 108 Min. (Blu-ray)

Kategorie: Angeguckt, Film & TV

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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