Angehört, Musik
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Mit “Bad Gastein“ weg von “Supergeil“

Bei Friedrich Liechtenstein weiß jeder sofort Bescheid: „Supergeil“, „Edeka“, alles klar! Doch der elegante, untersetzte Herr mit grauem Rauschebart und sonorer Crooner-Stimme ist in Berlin längst eine Szenegröße und verfügt über ein bewegtes künstlerisches Leben lange vor „Supergeil“. Bereits vor 10 Jahren veröffentlichte Liechtenstein sein erstes Album, das jedoch einen eher geringen Widerhall in der Öffentlichkeit fand. Denn der Entertainer, der – schenkt man den Presseinfos Glauben – seit einem Jahr als besitzloser Schmuckeremit in den Räumen der Brillenmanufaktur „ic! Berlin“ lebt und sich als „professioneller Flaneur“ sieht, macht alles andere als Mainstream. Sein „Supergeil“-Werbespot und die zahlreichen Youtube-Videos, die auf dem Überraschungserfolg basieren, sprechen dennoch längst die breite Masse an, und so erhält auch das zweite Album Liechtensteins, „Bad Gastein“, nun die mediale Aufmerksamkeit, die ihm durchaus gebührt.

FL-Album_Bad Gastein_Cover

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„Bad Gastein“ widersetzt sich allen Gesetzen der Musikindustrie

Unter normalen Umständen würde das Werk, das mit allen Sinnen die Atmosphäre des mondänen österreichischen Kurortes beschreibt, wohl ein Geheimtipp der Berliner Szene bleiben, denn es widersetzt sich so ziemlich allen Gesetzen, die die Musikindustrie für einen potentiellen Erfolg vorgibt. Schließlich sind Konzeptalben heute wohl eher out, und eine erste Single („Belgique, Belgique“) mit fast 10 Minuten Länge und sonor-sinisterem Sprechgesang, der in eine wohlig-schwülstige Klangkalorienbombe aus 80er-Jahre Elektroschmalz eingekocht ist, rauszuhauen, hätte sich wohl kaum ein Major-Label getraut. Hinzu kommt, dass das Werk, zumindest vorerst, lediglich per Download erhältlich oder auf Spotify zu hören, jedoch nicht auf CD zu erwerben ist (was allerdings der durchweg nostalgisch anmutenden Musik eher zuwider läuft, bei der im Grunde sogar die Veröffentlichung auf Vinyl durchaus Sinn gemacht hätte).

Label „HEAVYLISTENING Records“ eigens für „Bad Gastein“ gegründet

„Bad Gastein“ ist die erste Pop-Produktion des eigens gegründeten Labels „HEAVYLISTENING Records“, das die beiden Berliner Producer und Soundkünstler Carl Schilde und Anselm Venezian Nehls aka „HEAVYLISTENING“ eigens für Friedrich Liechtensteins neues Werk ins Leben riefen. Die beiden passen hervorragend zu dem Berliner Exzentriker, denn sie realisierten bereits diverse schräge Ideen wie Subbass-Konzerte für getunte Autos, eine Schallplatte, auf der nur ein Sinuston zu hören ist sowie Musik, die auf Twitter-Daten basiert.

Friedrich Liechtenstein - Foto Bruno Derksen

Friedrich Liechtenstein – Foto Bruno Derksen

Ist die Zukunft bereit für Friedrich Liechtenstein?

Insgesamt ist Liechtenstein und seinen beiden Förderern ein origineller musikalischer Wurf gelungen, der allerdings dem Hörer auch ein wenig Beschäftigung mit dem Material (und auch etwas Hintergrundwissen zum Kurort „Bad Gastein“) abverlangt, bevor er die Qualität der meisten Stücke entsprechend würdigen kann. Mal ebenso nebenbei hören ist nicht. Insbesondere all jene, denen der übliche musikalische Einheitsbrei zum Hals raus hängt, werden an dem eigenwilligen Werk ihre Freude haben. „Liechtenstein is made for the future, aber ist die Zukunft auch bereit für ihn?“ lautet die abschließende Frage in der Presseinfo zu „Bad Gastein“. Die Kritiker der großen Feuilletons finden Liechtensteins neues Werk längst „Supergeil“. Ob die schillernden Song-Juwelen mit dem Flair vergangener Tage allerdings im Netz die gleiche Viralität an den Tag legen wie der Edeka-Coup des Entertainers wird nur die Zeit erweisen.

Anspieltipps: „Kommissar D‘ Amour“, „Belgique, Belgique“

Bewertung: 4 von 5 Punkten

Kategorie: Angehört, Musik

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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