Dagewesen, Musik
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„Abends wach“ im Gloria – Bombenstimmung mit „Laing“

(Foto: Björn Othlinghaus)
„Laing“ machten Stimmung und zeigten eine tolle Bühnenshow. (Foto: Björn Othlinghaus)

Die persönliche Atmosphäre im Kölner „Gloria-Theater“ ist wie geschaffen für eine Formation wie „Laing“, denn schließlich leben die Auftritte der originellen Berliner Frauen-Combo vom Kontakt und der Interaktion mit dem Publikum, die in dieser Form in größeren Hallen wohl kaum möglich wäre.

Schon das Setting ist ungewöhnlich, denn bei welch anderem Gig gehören schon drei Stehlampen und eine Tanzfläche zum Bühnenrepertoire? „Laing“ präsentieren ihrem Publikum eben nicht nur ein Konzert, sondern auch bestens choreographierte Tanzeinlagen, für die sie mit der Tänzerin Marisa Akeni auch gleich die richtige Fachfrau mit an Bord haben. Sie übt mit den übrigen Damen nicht nur die Choreographien ein – auch ihre eigenen Performances gehören zum festen Programmbestandteil der Show.

Nicht nur Frontfrau Nicola Rost gab an diesem Abend alles. (Foto: Björn Othlinghaus)

Nicht nur Frontfrau Nicola Rost gab an diesem Abend alles. (Foto: Björn Othlinghaus)

Ferner komplettieren Frontfrau, Songwriterin und Produzentin Nicola Rost sowie Johanna Marschall und Larissa Pesch das Elektro-Soul-Pop-Quartett (das seine Musik selbst als „Electric Ladysound“ bezeichnet). Unterstützt wurden die Damen von dem hervorragenden Drummer Friedemann Pruß, der beim Konzert als Vertretung für Milian Vogel, den Stamm-Schlagzeuger der Band, mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes für die kernigen, größtenteils handgemachten Beats sorgte. Stars und Publikum befeuerten sich an diesem Abend gegenseitig, denn nach dem auch optisch effektvollen Einstieg mit dem Titeltrack der aktuellen CD „Wechselt die Beleuchtung“ stand der ganze Saal bereits Kopf, als die Damen den eingängigen Popsong „Natascha“ vom neuen Album anstimmten. Nach jedem Lied feierten die rund 700 Fans im Gloria teils minutenlang so enthusiastisch die Künstler, als handele es sich schon um den Schlussapplaus, und die ehrliche Freude über diese phänomenale Stimmung war den bestens aufgelegten Mädels deutlich anzumerken. Obwohl die Arrangements der Song oft den CD-Fassungen folgen, überraschen „Laing“ trotzdem ab und an mit abgewandelten Fassungen, zum Beispiel bei „Maschinell“, das, auch im Bezug auf die Tanzchoreographie, wie eine poppige Hommage an die Elektro-Pioniere von „Kraftwerk“ daherkommt. Überaus sympathisch ist die Vorliebe Nicola Rosts für musikalische Relikte aus der guten, alten deutschen Schlagerzeit.

„Ich bin morgens immer müde“ ist der größte Hit der Combo

Laing-Fans fällt da natürlich zu allererst der größte Hit der Combo „Ich bin morgens immer müde (aber abends bin ich wach)“ ein, der im Original durch Trude Herr in den 60er Jahren populär wurde. Rost verpasste dem quirligen Schlager den fetten Laing-Sound, der direkt in die Beine geht und dem Hit eine unverkennbar persönliche Note verleiht.

Larissa Pesch stieß erst im letzten Jahr zu "Laing". (Foto: Björn Othlinghaus)

Larissa Pesch stieß erst im letzten Jahr zu „Laing“. (Foto: Björn Othlinghaus)

Den eingängigen Gassenhauer, der zum Mitsingen einlud, sparten sich die Damen freilich für die letzte Zugabe auf. Der auf dem zweiten Longplayer „Wechselt die Beleuchtung“ enthaltene Titel „Sei doch bitte wieder gut“ verarbeitet – ausschließlich im Refrain – eine Schnulze des einstigen Schlagerstars Heintje und stellt dem rührseligen Inhalt augenzwinkernd das Geständnis einer Dame gegenüber, die sich scheinheilig fürs Wegrauchen des letzten Dopes und fürs Schuldenmachen entschuldigt. Die Hit-Qualitäten von „Morgens immer müde“ fehlen dem Stück freilich. In ihr „Schlussritual“ am Ende des Konzertes bauten „Laing“ schließlich noch Heinz Erhardts denkwürdiges Lied „Immer wenn ich traurig bin, trink ich einen Korn“ aus dem Film „Das kann doch unsern Willi nicht erschüttern“ ein, während sich die Musiker eben diesen besungenen Schluck genehmigten. Nach diesem aufregenden Konzertabend sei es den Damen gegönnt.

Laing kümmerten sich um ihre Fans

„Laing“ gehören sicher zum Besten, was der deutschsprachige Pop derzeit zu bieten hat, und das weit jenseits des gefälligen und oft austauschbaren Singer-Songwritertums, den manch andere angesagte deutsche Künstler aufbieten. Um ihre Fans kümmerten sich die Musikerinnen übrigens auch nach dem rund zweistündigen Gig und nahmen sich ausgiebig Zeit für das Schreiben von Autogrammen – das ist heute selbst bei kleineren Club-Konzerten längst nicht mehr selbstverständlich. Ach ja, eine Vorgruppe gab es an diesem Abend auch noch. „Dagobert“, den es aus der Schweizer Heimat nach Berlin verschlagen hat, wo er an einer Musikkarriere werkelt und auch schon mal in zwei Filmen von Regisseur Klaus Lemke mitgespielt hat, hinterließ mit seinen verschlafenen und mit übergroßem Gestus vorgetragenen Songs, die sich durch schwurbelige Texte auszeichnen, eher ratlose Gesichter.

Am Ende ihres Gigs genehmigten sich die vier Damen und ihr Drummer einen "Kurzen" zu "Wenn ich einmal traurig bin ..." von Heinz Erhardt. (Foto: Björn Othlinghaus)

Am Ende ihres Gigs genehmigten sich die vier Damen und ihr Drummer einen „Kurzen“ zu „Wenn ich einmal traurig bin …“ von Heinz Erhardt. (Foto: Björn Othlinghaus)

Seine Vorbilder sieht Dagobert unter anderem in den Flippers und Leonard Cohen, was zumindest ein wenig Hoffnung aufkeimen lässt, dass seine Songs weder inhaltlich noch musikalisch allzu ernst gemeint sind. In Köln hatte der Künstler jedenfalls keinen guten Stand beim Publikum und war nicht wirklich geeignet, den Einheizer für den quirligen, bestens aufgelegten und vor Kreativität sprühenden Hauptact zu geben.

Kategorie: Dagewesen, Musik

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

10 Kommentare

    • Björn sagt

      Hallo Friedemann,
      sorry für den Schnitzer, den habe ich gerade ausgebügelt :-). Ich wollte den Namen des Schlagzeugers rausfinden und habe einfach auf der Laing-Facebook-Seite nachgeschaut. Vielen Dank auf jeden Fall, dass Du Dich gemeldet hast ;-)! Es war übrigens wirklich ein fantastischer Abend!
      Viele Grüße, Björn.

  1. Dirk sagt

    Sehr treffender Artikel für einen wirklich fantastischen Abend!

    In bin kein großer Konzertgänger und der etwas energische Abgang der „schwarzen Ente“ schien mir mal wieder kein gutes Omen zu sein – aber was dann folgte war einfach…

    …befreiend und wunderbar 🙂

    Vielen Dank und Gruß,
    Dirk

    • Björn sagt

      Hallo Dirk,
      vielen Dank für Dein Lob, das hat uns sehr gefreut! Die „schwarze Ente“ hat bei uns heute Morgen noch für zusätzliche gute Laune gesorgt ;-).
      Gruß,
      Björn

  2. Andi sagt

    Der Abend und die Mädels inklusive Drummer waren wirklich der Knüller.
    Ich war allerdings bis zu diesem Abend davon ausgegangen, dass die „schwarze Ente“ noch hinter Gittern sitzt. Schade… aber wir verdanken ihm noch ein paar Lacher.

    • Andi sagt

      Ich glaube ja und das habe ich meiner Frau am selben Abend noch gesagt, dass wir da vor uns den neuen „Falco“ sehen. Die „schwarze Ente“ braucht nur den richtigen Manager oder Producer, der den Zugang zur Gefühls- und Kreativwelt dieses „Künstlers“ findet. Kanalisiert und fokussiert könnte da Potential sein. Wie gesagt „könnte“.

      • Björn sagt

        Hi Andi,
        tja, angeblich soll ja an seinem Album (und auch an dem neuen, das bald erscheint) immerhin Konstantin Gropper von der Band „Get Well Soon“ mitgewirkt haben, wie ich finde ein ziemlich genialer Musiker. Vielleicht wird der ja bald das Potential der „Schwarzen Ente“ ans Licht fördern 😉

  3. Andi sagt

    Hi Michael ,Hi Björn,

    musste gerade noch mal schwer über die SCHWARZE ENTE lachen. Der Typ ist doch hängen geblieben. Hoffentlich haben Laing mittlerweile ne andere Vorgruppe. Vielleicht die Tante vom ESC .

    Gruß

    • Björn sagt

      Hi Andy,

      ja, da hast Du recht, der ging nicht nur uns, sondern fast allen anderen Konzertbesuchern mächtig auf den Zeiger. Seltsamer Weise habe ich zu seinen beiden Alben aber tatsächlich ein paar wohlwollende Kritiken gelesen. Naja, über Geschmack lässt sich ja nicht streiten.

      Gruß

      Björn.

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