Dagewesen, Musik
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Kult-Star Christian Steiffen – Ferien vom Rock’n Roll mit dem Arbeiter der Liebe

(Foto: Björn Othlinghaus)
Schlager, aber richtig! Christian Steiffen begeistert in Bochum. (Foto: Björn Othlinghaus)

Du kannst mit Helene nichts anfangen und hast ganz generell wenig übrig für Schlager, willst Dir aber trotzdem mal welchen geben? Dann bist Du bei Hardy Schwetter aus Georgsmarienhütte an der richtigen Adresse!

Kennst Du nicht? Vielleicht ist Dir eher der Name Christian Steiffen ein Begriff, den Du möglicherweise aus dem Mund von Steiffen-Fan Oliver Kalkofe schon mal gehört hast. Seit 2009 jedenfalls steht der Musiker und Absolvent der renommierten Lee Strasberg Theatre School in New York unter diesem Pseudonym auf der Bühne, musikalisch unterstützt vom so genannten „Haseland-Orchester“, einzig bestehend aus dem Musiker Martin Haseland, der auf der Bühne beherzt zwischen seinen beiden Keyboards hin- und hersprintet.

Christian Steiffen wusste sein Publikum zu begeistern. (Foto: Björn Othlinghaus)

Christian Steiffen wusste sein Publikum zu begeistern. (Foto: Björn Othlinghaus)

Am 21. April 2016 war Christian Steiffen live in der Zeche Bochum zu erleben. Musikalisch, aber auch rein äußerlich ist der Meister ganz 70er-Jahre-Revival: die wallende Haarmatte, von einer schwarzen Sonnenbrille im Zaum gehalten, trifft auf Porno-Schnauzer, das spack über dem Astralkörper sitzende Rüschenhemd geht eine Liaison mit Großvaters braunem Polyestersakko ein. Die Posen, der Hüftschwung und der ausgestreckte Arm, der beim Singen fordernd gen Hallendeckenhimmel zeigt, erinnern nicht von ungefähr an Elvis Presley – Christian Steiffen war einst Frontmann einer Band, die sich auf Elvis-Imitationen spezialisiert hat. Sein Auftreten, aber auch die überwiegend selbst komponierten und getexteten Songs haben immer einen parodistischen Touch, vernachlässigen dabei aber niemals die musikalische Qualität oder wirken unfreiwillig komisch.

Obwohl Steiffen seine ganz eigene, ebenso originelle wie abwechslungsreiche Interpretation des Schlagers liefert und in keine Schublade passt, kann man ihn im besten Sinne mit augenzwinkernd agierenden, aber freilich deutlich harmloseren Schlagerkünstlern wie Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn vergleichen, die bei aller Parodie dennoch das Genre respektieren und zu Recht auch als Künstler ernst genommen werden wollen. Dabei besingt das Ruhrpott-Gewächs die wichtigen Dinge im Leben. Zu denen gehört zunächst einmal Christian Steiffen selbst, denn in fast allen Songs huldigt der Schlager-Gott am liebsten dem eigenen Ego.

Martin Haseland ist das einzige Mitglied des Haseland-Orchesters. (Foto: Björn Othlinghaus)

Martin Haseland ist das einzige Mitglied des Haseland-Orchesters. (Foto: Björn Othlinghaus)

Aber auch „Eine Flasche Bier“ und natürlich „Sexualverkehr“, beides griffige Songtitel des Entertainers, haben einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert im Steiffen-Kosmos. Füllte sich die Zeche Bochum zunächst eher zaghaft, war sie zum Bersten gefüllt, als Steiffen und Haseland mit „Wie gut, dass ich hier bin“ sowie „Ein Glück“, dem Opener des aktuellen, zweiten Albums „Ferien vom Rock’n Roll“, die Bühne betraten. Musikalisch ist der Song ein lupenreiner Schlager, textlich jedoch alles andere als ein schmalziger Liebesschwur, sondern vielmehr die poetische Erkenntnis, dass es gut war, der irren Tussi, die damals schon nicht alle Tassen im Schrank hatte, schleunigst den Laufpass gegeben zu haben. Auch ein Lied wie „Ich hab‘ Dir den Mond gekauft“, bei dem das „Hazeland-Orchester“ nicht das einzige Mal an diesem Abend mit einem virtuosen Keyboard-Solo glänzte, ist bei Christian Steiffen nur vordergründig poetisch, geht es doch ausschließlich darum, die nervige „bessere Hälfte“ auf den Erdtrabanten zu schießen.

Vollblut-Entertainer

Seine bierernsten Schlagerkollegen veräppelt der Vollblut-Entertainer mit jedem Lied aufs neue nach Strich und Faden, versäumt dabei aber freilich nicht, ihnen zu zeigen, wie gutes Songwriting funktioniert. Das weibliche Publikum war an diesem Abend, relativ untypisch für ein Schlagerkonzert, eher in der Minderzahl. Stattdessen traf man überwiegend auf männliche Party-Granaten im Alkoholrausch, die teilweise heftig vorgeglüht hatten, um ordentlich die Sau rauszulassen und Refrains wie „Ich bin ein Arbeiter der Liebe, ich habe immer was zu tun“ enthemmt mitgröhlen zu können.

Der Schlager-Gott macht Stimmung. (Foto: Björn Othlinghaus)

Der Schlager-Gott macht Stimmung. (Foto: Björn Othlinghaus)

Nicht immer sorgte das für gute Stimmung, und nicht selten schien das selbst dem Meister auf der Bühne unangenehm zu werden. „Nee, Leute, ich will das nicht sehen“ lies der Sänger wohl nur halb im Spaß verlauten, als sich eine Gruppe Angeschickerte mitten in der Menge ihrer schwitzigen Kleidung entledigte. Die Angesprochenen kümmerte das freilich wenig. Gute Laune gab es an diesem Abend aber trotzdem reichlich, als sich beispielsweise zu „Ich habe Haschisch probiert“ – einer launigen bayrischen Polka – spontan eine Polonaise durch den Saal bildete. Auch Christian Steiffen hatte keine Berührungsängste mit dem Publikum und gönnte sich hin und wieder einen Ausflug in die Menschenmenge, zum Beispiel bei „Ein Leben lang“, bei dem der Sänger echtes Mitgefühl für Frauen zeigt, die von ihm verlassen werden. Bei „Ich fühl‘ mich Disco“ handelt es sich dagegen um einen kernigen 70er-Jahre-Tanzflächen-Stürmer, auf den das Publikum fast bis zum Ende der Show warten musste.

Der Meister nimmt ein Bad in der Menge. (Foto: Björn Othlinghaus)

Der Meister nimmt ein Bad in der Menge. (Foto: Björn Othlinghaus)

Dass Hardy Schwetter alias Christian Steiffen die Musik ernst nimmt, bewies er auch, als der Tod von Prince die Runde machte – ganz spontan stimmte er in Begleitung von Martin Haseland kurz „Purple Rain“ an. Künstler, die einen eigenen Stil haben, gibt es in der kommerzorientierten Musiklandschaft heute nur noch selten. Christian Steiffen ist auf jeden Fall einer davon. Weitere Infos: www.christiansteiffen.com.

Kategorie: Dagewesen, Musik

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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