Er trägt noblen Zwirn, hat einen ganzen Fuhrpark an Luxuskarossen, hält sich einen verschwiegenen Butler und Chauffeur, der aussieht wie Ken auf Testosteron, ist im Besitz eines streng geheimen Spielzimmers mit viel ausgefallenem Spielzeug, aber ohne X-Box und fickt gern hart.
Die Rede ist von Christian Grey, dem feuchten Hausfrauen-Traum aus dem dreiteiligen, literarischen Sado-Maso-Dramolett „Fifty Shades Of Grey“. Mit der Verfilmung des ersten Bandes der Romanreihe von E.L. James, bei dem es sich um den zweiten abendfüllenden Film der Künstlerin und Musikerin Sam Taylor-Johnson handelt, verhält es sich derzeit wie mit „Modern Talking“ in den 80ern: Niemand will das Ding kennen, aber die Kassen klingeln und vor allem die, die sich sowas nach eigenem Bekunden niemals anschauen würden, haben dazu eine Meinung, vorzugsweise eine negative. Ehrlicher Weise muss ich sagen, dass ich die literarische Vorlage nicht kenne: Nach der Lektüre der Leseprobe bei „Amazon“ habe ich beschlossen, mir dieses „Literaturerlebnis“ zu ersparen.
Kollege Michael hat sich dagegen den ersten Band komplett reingezogen, ist danach aber nicht mehr dazu zu bewegen gewesen, sich die Verfilmung anzutun. Das hat mir dann doch beim Gang ins Kino ein wenig Angst gemacht. Dennoch möchte ich vor den Verbalattacken mit den positiven Aspekten des Films beginnen, die es durchaus gibt, wenn auch in bescheidenem Maße. Die Handlung ist in zwei Sätzen erzählt. Die schüchterne Anastasia (Dakota Johnson) soll den reichen Geschäftsmann Christian Grey für eine Studentenzeitung interviewen und fühlt sich auf seltsame Weise von dem arrogant und gefühlskalt auftretenden Milliardär angezogen.
Dakota Johnsons Spiel überzeugt
Nach und nach eröffnet Grey der verhuschten Studentin seine sadomasochistischen Vorlieben, die augenscheinlich ihre Ursache in traumatischen Kindheitserlebnissen haben. Der Film punktet vor allem mit seiner Hauptdarstellerin Dakota Johnson als Anastasia Steele, die, entgegen aller Lästereien, nicht nur mit nackten Tatsachen, sondern auch mit akzeptablen schauspielerischen Qualitäten überzeugen kann. Sie stellt ihren – freilich unendlich klischeehaften – Mauerblümchencharakter recht glaubwürdig dar und spielt damit Grey-Darsteller Jamie Dornan, der mit seiner hölzernen Mimik meist den Eindruck erweckt, als sei er bei Steven Seagal in die Schauspielschule gegangen, klar an die Wand.
Die literarische Vorlage, so hört man, soll die Psyche des Herrn unglaublich facettenreich darstellen – im Film kommt davon, obwohl die übliche „schlechte Kindheit“ angedeutet wird, rein gar nichts rüber. Aber wir waren ja bei den positiven Aspekten. Regisseurin Taylor-Johnson sowie ihrem Kameramann Seamus McGarvey kann man einen Sinn für ästhetische Bilder nicht absprechen, der natürlich angesichts einer für einen Zwei-Stunden-Film schlicht nicht vorhandenen Handlung kaum mehr als oberflächliches Kunstgewerbe sein kann. Die keimfrei durchgestylten Erotiksequenzen (in denen, Schockschwerenot, eine Krawatte oft das einzige Sado-Maso-Element darstellt), erinnern ein wenig an David Hamilton ohne Weichzeichner.
Drei-Wetter-Taft-Ästhetik
Wenn das Paar in den Hubschrauber oder den Segelflieger steigt und danach über den glitzernden, nächtlichen Großstadtmoloch oder berauschende Landschaften fliegt, fühlt man sich unwillkürlich an gewisse Werbeklassiker („Drei Wetter Taft – Die Frisur sitzt“) erinnert.
„Fifty Shades of Grey“ verliert sich pausenlos in schönen Bildern, aufwändigen Settings sowie seichten, inhaltsleeren Dialogen, während all jene Zuschauer, die auf die Skandalversprechungen der Werbekampagne hereingefallen sind, nur noch von der flehentlichen Hoffnung auf pikante Szenen dazu animiert werden, mit geradezu sadomasochistischer Willenskraft gegen den Schlaf anzukämpfen. Die erste Szene im „Spielzimmer“ ist dann recht ernüchternd, passiert hierbei doch nicht mehr, als dass Grey seiner Herzensdame den Nutzen einiger der sorgsam drapierten Utensilien erklärt. „Höhepunkt“ der Erotik-Schmonzette sind schließlich sechs harte Schläge, die der Business-Lüstling Anastasia am Ende mehr oder weniger gegen ihren Willen verpasst – und bei denen sich die Macher noch nicht einmal trauen, mehr als die Gesichter der Beteiligten zu zeigen. Ein fester Schlag auf den Hintern – schon zu viel für diesen fast schon familientauglichen „Schocker“.
Gerade an dieser Szene wird die geradezu lächerliche, typisch amerikanische Prüderie deutlich, die sich durch den gesamten Film zieht und dazu geführt hat, dass das mächtig skandalöse Werk in Frankreich vollkommen zu Recht uncut mit einer Freigabe ab 12 Jahren ausgestattet wurde. Unterm Strich beeindruckt an diesem Streifen vor allem die Erkenntnis, was eine aufwändige Werbekampagne und eine erfolgreiche Romanvorlage bei einem Film bewirken kann. Ohne Zweifel wäre „Fifty Shades of Grey“, der handwerklich nicht wirklich schlecht ist, aber für eine Big-Budget-Produktion ohne nennenswerte Höhepunkte dahinplätschert, ohne diese Hilfsmittel „Direct-to-Video“ vermarktet worden. Wer nach Mitternacht durch die Privatfernsehprogramme zappt, bekommt skandalöseres geboten, hier gibt es ganz klar mehr Pilcher als Peitsche.
Bewertung 1,5 von 5 Punkten
Fifty Shades of Grey
(Fifty Shades of Grey)
USA 2015
FSK ab 16 Jahren
Laufzeit ca. 125 Minuten
Kinostart 12. Februar 2015