Angehört, Musik
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„Niveau Weshalb Warum“ – Augenzwinkerndes Remmidemmi mit „Deichkind“

(Foto: Henning Besser)
„Deichkind“ – Eine inspirierte Chaotentruppe. (Foto: Henning Besser)

Fast 10 Jahre ist es her, dass das Norddeutsche Hip-Hop-Kollektiv „Deichkind“ seinen Stil, der vorher mit Hits wie „Bon Voyage“ eher dem Mainstream-Hip-Hop zugeordnet werden konnte, mit Elektro-Beats, hirnrissigen Texten und einer chaotischen Bühnenshow radikal umkrempelte.

Eingeläutet wurde dies damals mit der Single „Electric Super Dance Band“ und einem Auftritt beim Bundesvision Song Contest, dessen Fremdschäm-Faktor nicht so schnell getoppt werden konnte. Mit Ausnahme von 12 Punkten vom Bundesland Meck-Pomm, für das die Combo antrat, gab es damals keinen einzigen Punkt für die Hip-Hopper.

Heute lässt ein Blick in die Album-Charts die damals zu recht nicht besonders begeisterten Kritiker dumm gucken: Nicht etwa Helene Fischer, sondern „Deichkind“ befinden sich unangefochten auf dem Album-Olymp! Ganz klar hat das Kollektiv seinen Musikstil inzwischen optimiert und perfektioniert, durch eine abgefahrene Bühnenshow und erstklassig produzierte Videos ergänzt und von konzeptionsloser Chaotenmucke hin zu einem homogenen Gesamtkunstwerk entwickelt, das freilich noch immer in erster Linie Spaß machen soll. Und das tut die neue Scheibe „Niveau Weshalb Warum“ durchaus. Elektronische Beats mit viel Wums gehen direkt in die Beine (oder lassen das vierrädrige Tuning-Monster vibrieren), sind klasse produziert und machen Spaß (Käufer der limitierten „Collectors Edition“ können die Tracks auf einer separaten Scheibe auch instrumental genießen).

Wer könnte so sympathische Herrschaften nicht lieb haben? (Foto: Studio Schramm)

Wer könnte so sympathische Herrschaften nicht lieb haben? (Foto: Studio Schramm)

In den Lyrics, die noch immer schräg und bisweilen auch prollig daherkommen, blitzt nicht selten moderater Tiefgang oder zurückhaltende Anflüge von Gesellschaftskritik auf. „Mehr als lebensgefährlich“ ärgert zum Beispiel mit einem Augenzwinkern all jene, die sich ständig wegen Nichtigkeiten aufplustern, in „Like mich am Arsch“ fühlen „Deichkind“ mit galliger Ironie dem Verhalten in sozialen Netzwerken auf den Zahn, und in „Naschfuchs“ geht es um Frustfresserei.

Eine Hymne auf Ferris MC

Trotz all dieser Themen wäre es freilich übertrieben, „Niveau Weshalb Warum“ als gesellschaftskritisch zu bezeichnen, wie es in einigen Besprechungen der Fall ist – dafür werden die brisanten Themen zu oft einfach nur angerissen und nicht wirklich in die eine oder andere Richtung kommentiert. „Deichkind“ wollen vor allem für Spaß und Party sorgen, das allerdings, anders als der Albumtitel suggeriert, auf durchaus hohem Niveau.

Die in knallige Neonfarben getauchten Bühnenshows von "Deichkind" sind legendär. (Foto: Henning Besser)

Die in knallige Neonfarben getauchten Bühnenshows von „Deichkind“ sind legendär. (Foto: Henning Besser)

Der Text von „Powered By Emotion“ setzt sich überwiegend aus alten und neuen Werbebotschaften zusammen, in „Porzellan und Elefanten“ geht es um die Gegensätze, die sich anziehen. Den schon zu seinen Solo-Zeiten leicht durchgeknallten, aber gerade deshalb bestens zur Band passenden Ferris MC, der seit 2008 Mitglied bei „Deichkind“ ist, feiern seine Kumpels mit dem Song „Was habt ihr?“, der soundmäßig fett nach vorne losgeht und nicht der einzige Track der Scheibe ist, bei dem die „Deichkinder“ ihre Qualitäten als Party-Mucker unter Beweis stellen. Die erste Single-Auskopplung, „So ’ne Musik“, wird dagegen im Doppelpack mit dem abgefahrenen Video erst richtig rund – ohnehin sind „Deichkind“ mit ihren selbst gebastelten Kostümen in knalligen Neon-Farben als geniale Live-Band bekannt, deren Musik erst im Zusammenspiel mit dem optischen Overkill ihre wahre Größe entfaltet.

CD-Cover. (Foto: Sultan Günther Music)

CD-Cover. (Foto: Sultan Günther Music)

„Niveau Weshalb Warum“ ist jedenfalls so, wie gute Pop-Musik sein sollte: unterhaltsam, verspielt und bei allem Spaß auch das eine oder andere interessante Thema ansprechend, ohne dabei oberlehrerhaft zu missionieren oder sich allzu wichtig zu nehmen.

Anspiel-Tipps: „Porzellan und Elefanten“, „Was habt ihr?“
Bewertung: 4 von 5 Punkten

Kategorie: Angehört, Musik

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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