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Kino wie es sein soll: „The Rover“ wirkt noch lange nach

The Rover
Was passiert, wenn die gesellschaftliche Grundlage so wie wir sie kennen sich aufgelöst hat? (Foto: Senator)

Sechs Wörter werden der Handlung von „The Rover“ vorangestellt: „Australien. Zehn Jahre nach dem Zusammenbruch.“ Sechs Wörter, die dem Zuschauer zur Verfügung stehen, um die sich anschließende Handlung einordnen zu können. Sechs Wörter, die um so wichtiger werden je weiter die Handlung voranschreitet, denn Dialoge sind rar gesät in diesem Drama, das im australischen Outback angesiedelt ist. Regisseur David Michôd gibt gleich mit der ersten Einstellung, einem ausgiebigen Blick in die australische Einöde, den fast durchgängig sehr langsamen Rhythmus des Films vor. Einen Rhythmus auf den sich der Zuschauer einlassen muss, einlassen sollte, denn sonst verpasst er einen der eindrücklichsten und nachhaltigsten Filme dieses Jahres.

Vier Jahre hat sich Michôd nach seinem beeindruckenden Debüt „Animal Kingdom“ Zeit gelassen, um mit „The Rover“ auf die Leinwände zurückzukehren. Während sein Debüt von Kritik wie Publikum einhellig gelobt wurde, könnten die Meinungen diesmal kaum weiter auseinander gehen. Gerieben wird sich insbesondere an der dünnen Handlung und dem langsamen Erzählstil. Das Urteil ist schnell gefällt: langweilig. Wer diesen Kritiken folgt, wird vielleicht tatsächlich als Handlung nur wahrnehmen können, dass einem Mann (Guy Pearce) sein Auto gestohlen wird und er es unbedingt wieder bekommen möchte. Eine Sichtweise, die kaum oberflächlicher sein könnte, denn dieser Film zeigt uns das Bild einer Gesellschaft nach dem weltweiten ökonomischen Kollaps, das gerade durch die auf wenige Personen fokussierte und bis zum Äußersten reduzierte Handlung kaum eindrücklicher sein könnte.

Die Besetzung von Robert Pattinson ist überraschend

Wo äußere Einflüsse kaum Ablenkung bieten, müssen schauspielerische Leistungen umso präziser sein. Während Regisseur David Michôd mit Guy Pearce auf einen erfahrenen Charakterdarsteller setzt, ist die Besetzung von Robert Pattinson doch überraschend. Zumindest aus Sicht des Regisseurs, denn Pattinson muss solche Rollen annehmen, will er nicht auf ewig mit seiner Rolle als Vampir Edward in der Twilight Saga in Verbindung gebracht werden. Das Vertrauen, welches Michôd Pattinson entgegen gebracht hat, enttäuscht dieser in keiner Sekunde. Pattinson nimmt die Chance wahr, die sich ihm mit diesem Film bietet, nämlich endgültig Abschied zu nehmen von diesem seichten Teenie-Vampir.

Gut und böse verschwimmen, zu keiner der Figuren können wir Sympathie aufbauen.

Pattinson spielt Ray, dem Eric (Guy Pearce) auf der Suche nach seinem Auto begegnet. Sofort ist diesem bewusst, dass Ray ihm bei seiner Suche nützlich sein wird, denn Rays Bruder hat Erics Rover gestohlen. Ray benötigt allerdings ärztliche Hilfe, wurde er doch bei einem Schusswechsel mit dem Militär angeschossen und von seinem Bruder zurückgelassen. Nur widerwillig sorgt Eric dafür, dass Ray von einer Ärztin versorgt wird. Diese zwischenmenschlichen Beziehungen sind es, die der Film präzise beleuchtet. Was passiert mit uns Menschen, wenn die gesellschaftliche Grundlage so wie wir sie kennen, immer kannten, sich aufgelöst hat? Gut und böse verschwimmen, zu keiner der Figuren können wir Sympathie aufbauen. Es stimmt nachdenklich: Wie würden wir handeln, wenn es nur noch ums eigene Überleben ginge, wenn unser Gewissen permanent auf die Probe gestellt würde, wenn dieses keinen Halt mehr hätte?

Als Eric von einer alten Frau, die ihren Enkel an andere Männer verkauft, wegen seiner Autosuche verhöhnt wird („Schon lustig sich darüber aufzuregen. Und das heutzutage.“), er seine Pistole mit Tränen in den Augen auf sie richtet, wird die Zerrissenheit der Figur fast körperlich spürbar. Als Ray äußert, er könne nicht aufhören daran zu denken, dass er jemanden getötet hat, reagiert Eric weder verständnisvoll noch tröstend, sondern ungehalten: „Hör nie auf an ein Leben zu denken, das Du genommen hast. Es ist der Preis dafür, dass Du es genommen hast.“

„The Rover“ ist ein intelligentes Stück Kino. Kino, wie es sein soll: Es berührt, regt zum Nachdenken sowie Diskutieren an und wirkt noch lange nach.

cover-roverThe Rover
 (The Rover)

Genre Drama, Thriller

FSK ab 16 Jahren

Laufzeit ca. 98 Minuten (DVD), ca. 103 Minuten (Blu-ray)

Produktion Australien/USA 2014

Ton/Sprache (DVD) Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1); (Blu-ray) Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1)

Bewertung 4,5 von 5 Punkten

Kategorie: Angeguckt, Film & TV

von

In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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