Angehört, Musik
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Loopings – Auf den Spuren von Jean Michel Jarre

(Foto: Pengenius)
Musiker Jürgen Krutzsch schwebt über den Wolken. (Foto: Pengenius)

Jürgen Krutzsch, in Werdohl und Umgebung besser unter dem Namen „Pöngse“ und als Wirt der traditionsreichen Musikkneipe „Alt Werdohl“ bekannt, hat in seinem Leben auch als Musiker einiges auf den Weg gebracht. Im Bezug auf die Musik ist Krutzsch sehr vielseitig interessiert, nicht nur was die beliebten und oft hochklassig besetzten Konzert-Veranstaltungen in seinem Lokal angeht, sondern auch mit Blick auf sein eigenes musikalisches Schaffen.

Das hat seinen Ursprung in den 70er Jahren, als Krutzsch Teil der Prog-Rock-Formation „Tibet“ war, deren einziger Longplayer (dessen Titel mit dem Bandnamen identisch ist) unter den Freunden des Progressive-Rock angesichts großartig strukturierter Songs wie zum Beispiel dem eingängigen „Seaside Evening“ zu Recht noch heute Kultstatus geniest. Bevor die Band, die mit ihrem Album einen Achtungserfolg erzielen konnte, von ihrem damaligen Manager Jürgen Wigginghaus jedoch auf Promo-Tour geschickt werden konnte, brach sie 1980 auseinander – die Mitglieder hatten Angst, für ein unsicheres Musikerdasein ihre bürgerlichen Existenzen auf’s Spiel zu setzen.

Jürgen Krutzsch versäumte es indes auch in späteren Jahren nicht, immer mal wieder musikalisch aktiv zu werden, allerdings auf eine Weise, die nur marginale Parallelen zu „Tibet“ aufwies. Unter dem Projektnamen „Cinema“ veröffentlichte er, unterstützt von Musikern aus Tibet-Tagen, in den Jahren 1985 und 2012 zwei Alben, die elektronische Musik im Stil von Mike Oldfield und Vangelis enthielten und, dem Projektnamen entsprechend, als fiktive Filmmusiken konzipiert waren. In dieser Tradition steht nun auch das neueste Cinema-Werk „Loopings“, das Ende 2014 in den Handel kam. Im Mittelpunkt der Produktion stehen elektronische Klangwelten, die Jürgen Krutzsch gemeinsam mit Ex-Tibet Keyboarder Dieter Kumpakischkis erzeugt und die sich im Kern aus sich wiederholenden und aufeinander aufbauenden Loops, angereichert mit Keyboard-Klängen, zusammensetzen.

Das Weltall als Hauptthema

Doch „Loopings“ besteht ebenso wenig wie die beiden Vorgänger nicht nur aus rein elektronischer Musik, denn Benjamin Peiser setzt zusätzliche Akzente mit seiner E-Gitarre. Dabei erinnert das Ergebnis diesmal weniger an die in der Presseinfo erwähnten Inspirationsquellen wie Mike Oldfield, Alan Parsons oder Vangelis, sondern eher an die opulenten Klangwelten eines Jean Michel Jarre, wobei der technische Aufwand – das Werk wurde von Jürgen Krutzsch in seinem Büro eingespielt – natürlich zwangsläufig bescheidener ausfallen musste. Auch die visuelle Komponente, die bei Jarre und übrigens auch bei den Gigs von „Tibet“ in den 70ern eine große Rolle spielte, entfällt hier natürlich (wenn es nicht eines Tages zu einer Live-Aufführung des Werkes kommt).

Keyboarder Dieter Kumpakischkis (Foto: privat)

Keyboarder Dieter Kumpakischkis (Foto: privat)

Inhaltlich begeben sich die Musiker mit ihren ausschließlich instrumentalen Tracks diesmal, von einigen Ausreißern abgesehen, ins Weltall – ein Thema, das breiten Raum für opulente Klangwelten bietet. Dabei stechen einige Nummern des Silberlings besonders hervor. So verfügt zum Beispiel „Strange Planet“ über eine gelungene Dramaturgie, bei der sich zu Beginn über einen unheilvoll wabernden Klangteppich wohlgesetzte, spacige Sounds und Beats legen, die in einen finalen Schlagzeugeinsatz münden. „Rushour“ lässt in seiner Quirligkeit tatsächlich das Zeitrafferbild eines urbanen Organismus entstehen, und mit „Stardust“ produzieren „Pöngse“ und seine Mitstreiter gar einen moderaten Dance-Track, der durchaus auf einer Chillout-Party laufen könnte. Bei „Dreaming In The Dark“ kommt schließlich großzügig Benjamin Peisers elegisches E-Gitarren-Spiel zum Einsatz. Den „Wolves In Winterland“ spendiert Jürgen Krutsch sogar rhythmischen Glöckchenklang, wie er oft in Weihnachts-Popsongs Verwendung findet. Verfügt die Platte jedoch einerseits durchaus über originelle Ideen, kommen manche Sounds im Gegensatz dazu leicht antiquiert rüber und wecken Erinnerungen an Computerspiele von Anno Dazumal – vielleicht ist aber auch eine gewisse Nostalgie bei diesem Album, das sich ohnehin an Musikern der 70er und 80er Jahre orientiert, die mit elektronischen Sounds experimentierten, durchaus gewollt.

Musik für Genießer

Unterm Strich setzt sich das Werk vermutlich ein wenig zwischen die Stühle, denn es stellt sich die Frage, wer die Zielgruppe für die Scheibe sein könnte. Den Gästen des „Alt Werdohl“, die wohl eher auf handgemachten Rock oder Blues stehen, wird das Werk wohl zu elektronisch sein, gleiches gilt für die Anhänger der Musik von „Tibet“, die in den 70ern zwar auch auf elektronisch erzeugte Klänge setzten, aber doch oft den Fokus auf die Gitarre sowie auf eingängige Melodien und Songstrukturen richteten.

Anhängern moderner elektronischer Musik, wie sie heute in Clubs aufgelegt wird, dürfte das Ganze dann trotz einiger durchaus tanzbarer Passagen wieder zu „retro“ sein, denn die musikalischen Zitate auf „Loopings“ beziehen sich natürlich nicht auf die derzeit angesagten 90er Jahre, sondern überwiegend auf die 70er und 80er, eben jener Zeit, die für die beteiligten Künstler musikalisch prägend war. Bleibt somit noch der Genießer, der die Scheibe in den heimischen Player legt, es sich im Ohrensessel gemütlich macht und mit Hilfe der Musik in fremde Welten abtauchen möchte. Für ihn ist dieses Werk gemacht, ganz abgesehen davon, dass es Jürgen Krutzsch und seinen Mitstreitern wohl ohnehin weniger darum ging, eine Zielgruppe zu bedienen, sondern vielmehr ihrer Leidenschaft für die Musik Ausdruck zu verleihen, die einen großen Teil ihres Lebens als Konsument, Veranstalter und Künstler geprägt hat.

(Foto: Pengenius)

(Foto: Pengenius)

Als Zeugnis der Liebe für die Musik im Allgemeinen, mit einem klaren Fokus auf die Konzept-Alben der 70er und 80er Jahre im Besonderen, ist das Album auf jeden Fall ein Ohr wert. „Loopings“ vom Projekt „Cinema“ ist überall im Handel erhältlich.

Anspiel-Tipp: „Strange Planet“
Bewertung: 3 von 5 Punkten

Kategorie: Angehört, Musik

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In einer Ramsch-Kiste mit Taschenbüchern wurde ich, gerade mal 10 Jahre alt, fündig. Das – wie ich im Nachhinein feststellte – inkompetenteste Film-Nachschlagewerk dieser Erde, „Das Lexikon des Science-Fiction-Films“ von Roland M. Hahn, weckte mein Interesse für bewegte Bilder. Ich „zerlas“ es völlig (und auch seine nicht weniger missratenen Nachfolger über die Genres „Fantasy“ und „Horror“). Echtes Interesse für die Pop- und Rockmusik kam dagegen erst Jahre später – mit der ersten eigenen kleinen Hifi-Anlage und der CD „The Road to Hell“ von Chris Rea.

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